Das Kriegstagebuch und Briefe von Wolfgang Poel
Dieser Eintrag stammt von Vanessa Kröpke, Selina Timmann, Stefan Tiedchen und Ursula Lindemann
Auszüge aus den Kriegstagebuch und Briefen aus dem Felde von Wolfgang Pole.
Wolfgang Poel wurde im Jahre 1874 geboren. Er zog mit seiner Familie aus dem hohen Norden nach Essen, musste dann aber mit dem Militär nach Altona, außerdem hatte er noch Aufenthalte in Schleswig und Berlin. Er hatte sich im April 1914, als Hauptmann, pensionieren lassen, war bei Krupp in Essen als Dolmetscher und Übersetzer in eine ihn sehr befriedigende Arbeit gekommen. Seine Familie blieb in Essen getrennt von ihm und auch von Freunden, Verwandten und von der Tante, die in Lübeck lebte.
Wolfgang Poel wurde Anfang des ersten Weltkrieges 1914 bis 1918 eingezogen. Sein Tagebuch beginnt am 2. August 1914. Wolfgang Poel fiel auf einem Feldzug in Frankreich am 3.10.1914.
Die Tochter schreibt: Auf der ersten Seite steht in der Handschrift meiner Mutter: W. Tagebuch 1914. Es ist ein dünnes Heftchen, in der zarten, klaren, deutschen Schrift meines Vaters, der damals 40 Jahre alt war.
Tagebucheintrag vom 23.9.:
Früh in die alte Feuerstellung, dichter Nebel, die Sonne kommt gegen 11h durch. Bis dahin Ruhe. Wir schießen gegen unsichtbaren Feind auf Veranlassung Infanterie, Gravenhorst ist Brig. Adj, und immer noch ebenso trottelig wie früher.
Nachm. um 5h zur Abteilung gerufen, muss die Geschütze der 4/18 besetzen, die dafür an meine Stelle geht. Warum? Nach meiner Überzeugung pers. Rücksichten, sachlich fast ein Verbrechen, da wir in völliger Dunkelheit dort ankommen und über nichts orientiert sind. Ich lege mich mit Poelchau in einen der so genannten höchst primitiven Unterstände, esse noch etwas Brot und Speck, und trinke eine Flasche Weißwein, die Pentz ausfindig gemacht hat. Schlafe wenig und schlecht und friere furchtbar, obwohl ich außer Lederjacke noch den in Pommerage gefundenen Mantel anhabe.?
Nachtrag zum Kriegstagebuch 23.9.
Näheres steht in dem Tagebuch, das ich bei mir führe. ..nach 8 schweren Tagen, die unter Gottes Schutz glücklich überstanden sind, zum 1. Mal meinen Koffer wieder gesehen. Vorgestern habe ich das eiserne Kreuz bekommen, worüber ich sehr erfreut bin. ..von Euch keine Nachricht. Hoffentlich hast du die Karte bekommen, die ich meinem krank nach Hause reisenden Wachtmeister mitgab,..
treulichst dein Wolfgang?
am 27.9. Südlich Noyen
Seit dem 15. sind wir täglich im Gefecht. Kaum Zeit mich hinzusetzen, dafür in Gedanken bei euch . ..all Deine Post verloren gegangen. Seit dem 24.8. hörte ich nichts von Dir. Vor 8 Tagen Brief von Mutter, aus dem ich entnahm, dass es Dir gut geht.
Unser Leben: Tag und Nacht auf dem Sprunge, selten für wenige Stunden im Bett- und dann das niederdrückende Gefühl, dass es nicht vorwärts geht. Die offiziellen Nachrichten gefärbt. -.. seit dem 15.9. 10km Boden erkämpft. ..können ihn ( Feind) nicht zurückdrücken. Was an Verstärkungen für ihn herankommt, entzieht sich unserer Berechnung. ..ich von Schaden bewahrt.., auch bei der Batterie wenig Verluste - also kein Grund, missmutig zu sein. ...geht auf die Nerven.., aber hier müssen wir bis zum Ende durchhalten. Wie freue ich mich auf das Wiedersehen mit Euch. Jede Nachricht von Euch richtet mich auf, umso mehr als mir meine Umgebung innerlich doch fern steht. Ompteda mir der Liebste; wir sehen uns den ganzen Tag, essen aus demselben Pott und schlafen gelegentlich im selben Bett. Hunger gelitten haben wir noch nicht. Welch schönes, fruchtbares Land… erinnert in manchen Stücken an Thüringen...einige Sonntage, wieder zum Menschen geworden nach der Regenzeit - glaubte fast, dass mir die Füße abfaulen. Dass ich die Sache so gut überstanden habe, wundert mich. ..man wird stumpf und abgespannt. Sehnsucht nach Euch -.. und Ruhe und Schlaf.. heute mit Kollegen Uslar zusammen auf vorgeschobenem Beob. Stand. Es gab außer einigen Schrapnells Goulasch, geschmorte Gurken, Kart., Apfelmus, Birnen, Pfirsiche, dazu Rotwein; wenn es den nicht gibt, ist man sehr empört.?
28.9. Bailly
Post von dir! Das erste Lebenszeichen seit 5 Wochen. ..gewiss ist es Dir einsam und öde in Essen, willst Du nicht doch für ein paar Wochen nach Altona oder Lübeck? Du musst alles tun, was Dir richtig erscheint. Wie oft denke ich daran, was Du alles entbehren musst durch unseren Umzug nach Essen, und wie will ich versuchen, es Dir angenehm zu machen, wenn ich wiederkomme. ...meine Passion für das Soldat spielen hat erheblich nachgelassen... wir wollen sehen, uns den Platz bei Krupp möglichst behaglich zu gestalten. ...die Eltern hatten auch Zeitungen geschickt - England will als Vergeltung für Löwen nach dem Krieg Krupp völlig zerstören. Das geplante Bombardement beginnt nicht.. neblig.. hoffentlich bekommen wir ihn mit dem Schießen mürbe und ersparen unserer braven Infanterie, die ganz kolossal gelitten hat, unnütze Verluste. Regt. 9 und 45 schwere Verluste.. Ich möchte die Sache bald zu Ende geführt sehen... die Leute, die aus den nicht direkt im Kampffelde liegenden Dörfern geflohen sind, waren sehr töricht. Im Inneren ihrer Besitze sieht es traurig aus, anderen, die ihr Haus nolens volens den Fremden zur Verfügung stellten, passiert im Allg. nichts. ..unsere Quartierwirte in Carlepont zufrieden mit ihrer bezahlenden Einquartierung. Hier wo kein Mensch übrig geblieben, haben zuerst Turkos und Zuaven, dann unsere Infanterie aufgeräumt; was übrig geblieben ist, nehmen wir (Esswaren).. Betten und Matratzen wandern in Schützengräben.
Je näher man den Krieg kennen lernt, umso furchtbarer erscheint er einem doch, und desto verbrecherischer die Halunken in London, die ihn angezettelt haben.
1.10. bei Larbroye (bei Noyon)
(Dies ist der letzte Brief, W.P. fiel am 3.10.)
Liebste Lisbet, heute nur ein paar Zeilen des Dankes für den gestern erhaltenen Brief vom 14.9. mit der Karte von Rudi. Wir sind heute aus der 1. Linie zurück, um nach reichlich 14 Gefechtstagen den ersten sogenannten Ruhetag bekommen zu haben, der dringend nötig ist zur Instandsetzung von Gerät, Kleidung etc. Was aus uns wird, ist noch ganz unklar - uns jedenfalls. Hoffentlich geht es Euch weiter gut. Wie viel denke ich an euch, wenn ich die reizenden Parks sehe, in denen ich mit meinen Kindern spielen und mit Dir Blumen und Obst pflücken möchte. Wenn doch bald ein ehrenvoller Friede käme.
1000 Grüße von Deinem Wolfgang.?
Ein Nachwort von Wolfgangs Frau Lisbet
Aber: Versöhnung über Gräbern! Als wir 1954 mit einer Landfrauengruppe den Soldatenfriedhof Les Goars bei Versailles besuchten, dankte ich dem Friedhofgärtner im Namen der Gruppe dafür, dass er den Friedhof so schön pflegte.
Seine Antwort: Mais Madame – ce sont nos camerades!