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Das Martyrium Auschwitz
Das Interview wurde von Julia Fischer und Antonia Dahl bearbeitet
Wie stellte sich für Sie zu Beginn des Krieges Ihre private Situation dar?
Ich war achteinhalb Jahre alt und ging in die dritte Klasse der Grundschule. Wir lebten im Westen Berlins und ich war die Jüngste von drei Kindern. Mein Vater war beruflich viel unterwegs und meine Mutter war zu Hause.
Was waren die ersten Anzeichen dafür, dass der Krieg begonnen hatte?
Wir hatten das Radio eingeschaltet und plötzlich kam eine Sondermeldung. In der hörte man die Stimme des Führers. Er verkündete, „ab 04:45 Uhr befinden wir uns im Krieg mit Polen“ und „es wird zurückgeschossen“. Das war dann von einer Minute zur anderen der Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Wie hat sich Ihre Lebenslage verändert?
Am Anfang haben wir eigentlich keine Veränderung verspürt, es schien alles normal weiterzulaufen. Einschränkungen gab es, indem es die ersten Lebensmittelkarten gab und gewisse Lebensmittel rationiert wurden. Meine Familie selbst hatte noch keine Not erfahren.
Inwiefern hat sich Ihr Schulleben verändert?
Das Grundschulleben sollte nun noch eineinhalb Jahre weiter gehen. In dieser Zeit hatten wir eine ältere Lehrerin, welche uns vor Nazi-Parolen bewahrte. Es wurde allerdings morgens mit dem Hitler-Gruß begonnen und dann wurde ein Lied gesungen. Dies war aber oftmals ein altes deutsches Volkslied.
Waren Sie auch von der Evakuierung aus Berlin zu der Zeit betroffen?
Die Evakuierung bedeutete, dass alle Kinder die Stadt Berlin, wegen der Luftangriffe, verlassen mussten. Daran dachte ich am Anfang des Krieges noch nicht. 1942 kamen in der Nacht die Flieger der Alliierten und bombardierten die Stadt als Rache dafür, dass Deutschland Bombenangriffe in England durchgeführt hatte. 1943 wurde die Evakuierung von Kindern aus Berlin beschlossen. Wir bekamen ein Datum genannt, im Mai 1943. Wir mussten uns dann an einem bestimmten Bahnhof einfinden und warteten auf den Zug, der uns nach Usedom transportieren sollte. Das ging gar nicht so schnell, weil in der Nacht zuvor wieder ein Angriff vorgefallen war und die Züge große Umwege fahren mussten. Wir sind unversehrt aus der Stadt evakuiert worden und verbrachten dann mehre Monate auf der Insel Usedom.
Haben Sie in der Zeit auch etwas von der Verfolgung der Juden mitbekommen?
Nein, dafür waren wir wahrscheinlich zu jung. Ich nehme an, dass viele Deutsche das mehr ahnten, als dass sie genau von der Verfolgung der Juden wussten. Man merkte es, weil plötzlich Nachbarn fehlten, weil plötzlich Ärzte nicht mehr praktizierten und Kollegen nicht mehr erschienen.
Wie weit hat Hitler durch seine Reden und Ansprachen Einfluss auf die Gesellschaft genommen?
Er hatte enormen Einfluss. Wir Kinder sind uns dessen gar nicht so bewusst gewesen. Nur die Schulbücher wurden mit ihren Inhalten ziemlich auf die nationalsozialistische Weltanschauung abgestimmt. Es war außerdem im Geschichtsunterricht immer wieder betont worden, dass das Ende des Ersten. Weltkrieges eine ungerechte Friedensfolge für uns Deutsche mit sich gebracht hatte. Es wurde konsequent bestritten, dass Deutschland allein der Schuldige am Ersten Weltkrieg war.
Was war Ihr schlimmstes und prägendstes Erlebnis im Krieg?
Als mein Vater mit mir nach einem der Luftangriffe in die Stadt fuhr, um zu sehen, ob seine Firma überhaupt noch stand und nicht den Bomben zum Opfer gefallen war. Wegen der Zerstörungen gelangten wir nicht mal bis in die Stadtmitte. Deshalb machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Schon auf diesem Weg kamen wir kaum voran, beziehungsweise, denn rechts und links brannten die Häuser und Trümmer von einem zerbombten Haus lagen auf der Straße. Vor lauter Qualm konnten wir kaum atmen und mein Vater, der mich fest an der Hand hielt, beschloss kehrtzumachen. Weinende Frauen und Kinder irrten herum. Ich begann zu weinen und war froh, als mein Vater mit mir wieder in Richtung S-Bahn ging.